Das Album der Woche: Tool mit Fear Inoculum

Tool - Banner

Das Album der Woche kommt von Tool. Man könnte nun sagen, dass dies klar ist, wenn eine Band nach 13 Jahre endlich wieder neue Musik veröffentlicht. Aber nein, so ist einfach ist es nicht. Tool sind einfach eine Klasse für sich und dies beweisen sie mit „Fear Inoculum“ erneut! 

Man darf von der musikalischen Stunde Null sprechen. Alles bisherige tritt in den Hintergrund, Veröffentlichungen dieser Tage verschwinden geradezu in der Versenkung. Tool haben es wahrlich geschafft und einen Nachfolger zu „10,000 Days“ fertig gestellt. 13 Jahre und 120 Tage nach dem Vorgänger soll es soweit sein. 159 Monate und 28 Tage sind eine lange Zeit und wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass 420595200 Sekunden seit diesem 02. Mai 2006 vergangen sind, könnte einem schummrig werden. Der geneigte Fan ist sich aber dem Umstand bewusst, dass Tool unantastbar sind. Sei es mit ihrem musikalischen Schaffen, dem Umstand, dass man zu „Fear Inoculum“ aktuell auf Vinyl verzichtet oder etwa, dass die CD-Version hierzulande die 80 Euro-Marke knackt. Man verzeiht es dieser Band und dies obwohl man mit Maynard sicher nicht so dicke ist. 

Auch die Rhythmus-Fraktion mit Adam Jones, Danny Carey oder Justin Chancellor sind nun nicht die Jungs von Nebenan, welche den Kontakt zu ihrer Fanbase suchen. Und dennoch hob man die Band über all die Jahre auf ein Podest, welches die Pyramide des Kukulcán ebenfalls nebensächlich erscheinen lässt. Dennoch müssen auch Tool den Gang auf den Prüfstand absolvieren. Man muss unter die Motorhaube von „Fear Inoculum“ und sich gegebenenfalls die Frage stellen, ob diese Vergötterung nun ein Ende finden kann oder sogar muss. 

Tool - Band 03

Ja wer schaut denn da zur Tür rein? Man hat es nicht mehr für möglich gehalten. Tool sind wirklich zurück! (c) by Sony Music

„Fear Inoculum“ – 5 Alben in 29 Jahren…

„Fear Inoculum“ stellt das fünfte Album in rund 29 Jahren Tool-Dasein dar. Fleiß-Bienchen kann man wahrlich nicht ins Hausaufgabenheft der Band kleben, aber mit „Ænima“ hat man wohl das progressivste Mainstream-Überalbum geschrieben, welches dieser Planet vorzuweisen hat. Während „Opiate“ noch der Versuch war, sich Gehör zu verschaffen, stellt „Undertow“ für eingefleischte Fans wohl das wichtigste Album dar. „Ænima“ sollte Alles verändern, der Band Gott-Status bescheren und die Messlatte derart hoch legen, dass man den progressiven Bereich in der Musiklandschaft eigentlich abschließen wollte. „Lateralus“ und „10,000 Days“ sollen nur noch der Vollständigkeit wegen genannt werden. Wahrlich keine schlechten Alben mit jeder Menge Potential, kreativsten Ergüssen, aber eben auch dem Umstand, dass eine gewisse Sättigung seitens der Band zu spüren war. Maynard James Keenan schien völlig jegliche Bodenhaftung zu verlieren, bestritt Konzerte teilweise hinter der Bühne und machte jedem Label-Mitarbeiter das Leben zur Hölle. Am Thron dieser Band sägte dennoch Niemand. 

Furcht vor diesem 1,7 Meter großen Mann, der dadurch eher zu den „überschaubaren Kollegen“ zählen sollte? Oder hatte man Bedenken, dass er sich sich komplett aus der Musikwelt verabschiedet und folglich auch all seine anderen Bands wie A Perfect Circle oder Puscifer eingestellt werden würden? Egal, denn menschliche Defizite und kreatives Spinnertum nahm man hin und war nur erleichtert, als sich Tool wieder ins Studio verabschiedeten. Tool are back on track!

Tool - Artwork

OK, Abzug gibt es vielleicht beim Cover. Schick ist anders, dafür ist die CD unfassbar geil gemacht.

… dafür ist es ein Feuerwerk

„Fear Inoculum“ ist ein Bollwerk. Ein 7-Song-starkes Werk, welches trotz dieser überschaubaren Anzahl an neuen Songs auf geschlagene 79 Minuten Musik kommt. Jeder einzelne überschreitet die 10-Minuten-Marke, wenn man von dem Interlude-ähnlichen „Cocolate Chip Trip“ absieht. Neben dem Titelsong waren auch schon „Invincible“ und „Descending“ dank eifriger YouTube-Uploader bekannt. Wir schreiben das Jahr 2019 und ja, selbst die innige Bitte der Band sich während einer – zugegeben einzigartigen – Tool-Show auf das Bühnengeschehen zu konzentrieren, hielt einige Besucher nicht davon ab, zwei Songs Wochen vor Veröffentlichung ins Netz zu stellen. 

Losgelöst sollten diese etwas sperrig, holprig und fast schon belanglos wirken. Im Kontext des Albums ergeben sie den Sinn, den sich hoffentlich der kreative Kopf Adam Jones hierfür überlegt hat. Auch ist überraschend, dass Keenan selbst dezent und eher im Hintergrund auf dem Album stattfindet. Was er stimmlich leistet, hat er zuletzt mit „Eat The Elephant“ seiner Zweitband A Perfect Circle bewiesen. Nicht von dieser Welt, derart auf den Punkt, dass eine versuchte Wiederholung hier für Tool wohl an dem Versuch zerschellt wäre. So konzentriert sich Maynard Keenan auf die Tatsache, begleitend diesem Album beizuwohnen. Stimmliche Ausbrüche, energischer Gesang oder eine Wut wie aus den Anfangstagen, sollen hier nicht zu finden sein. Dies überlässt man den Mitmusikern, wenn auch mit Abstrichen. 

Tool - Live

Der Wahnsinn ist diesem Mann geradezu anzusehen. Maynard James Keenan. (c) by Rainer Keuenhof

Tool sind einfach detailverliebt

Per se ist „Fear Inoculum“ ein erwachsenes Album. Eines, welches sich auf Details eingeschossen hat und mit viel Liebe das Licht der Welt erblickte. Sei es das einzigartige Riffing eines Adam Jones, der sich nun sicher nicht neu erfunden hat, seinen Stil aber bis zur Perfektion verfeinern konnte. Auch Danny Carey durfte sich ausleben. Akzente setzen mit der Double Bass, Parts, die wohl alle Elemente seines Schlagzeugs einbinden und dem Umstand, dass er einmal die Percussion-Abteilung eines ortsansässigen Musikladens ins Los Angeles plündern dürfen. Man gewinnt den Eindruck, dass Carey das nicht eingestellte ADHS-Kind im Süsswarenladen sein muss, wenn es um das Zusammenstellen seiner Schiessbude geht. „Pneuma“ lebt hiervon ungemein und auch „7empest“ wäre nur eine halbgare Nummer, wenn dieser Mann nicht wäre.  Die Überraschung schlechthin ist aber Bassist Justin Chancellor, welcher noch nie so präsent auf einem Tool-Album zu finden war. Im Verlauf des Albums macht er Songs rund, versorgt sie mit dem nötigen Drive und ist immer wieder der sichere Hafen, wenn die Kollegen ihr Spiel auf das Minimalste reduzieren. 

Tool - Band

Skurille Typen? Ja, sind sie. Aber eben auch eine Klasse für sich. Tool im Jahre 2006. (c) by Sony Music

Unter dem Strich wieder ganz großes Kino!

Wo steht nun „Fear Inoculum“ im direkten Vergleich zu den bisherigen Alben? Eine schwierige, wenn nicht sogar unlösbare Frage. Eine Eingängigkeit von „Ænima“ muss man suchen. Man wird sie finden, wenn auch in Songs eingewoben, die durch ihre Überlänge nicht als klassische Songs fungieren können – und sollen. Trademarks wie Disharmonie, schleppendes Drumming oder das hypnotische Gitarrenspiel eines Jones sind zweifelsohne vorhanden. Radiosongs wie „Sober“ dafür nicht. Eine Tatsache, die hier und da die Freude über dieses Album schmälern könnte. Wer sich aber für 79 Minuten abschotten will von dieser Welt, dem wird hier geholfen. Dennoch muss erwähnt werden, dass man nach 13 Jahren etwas mehr erwarten hätte können. Aber dies ist Jammern auf allerhöchstem Niveau. Denn machen wir uns nichts vor: 95% aller progressiven Bands da draußen wären froh, jemals einen Song in der Klasse von Tool zu schreiben. Und selbst dann noch, wenn man den schlechtesten Song dieser Band als Maß heranziehen würde. 

Kategorien: musik Peter Reviews

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