Gareth Evans, Regisseur des mächtigen Martial-Arts-Massakers THE RAID 2, im Interview

The Raid 2

Versprochen ist versprochen: Hier kommt das Interview mit Gareth Evans, dem Regisseur des vielleicht epischsten Martial-Arts-Massakers der Kinogeschichte (siehe Review von gestern) das heute im Kino startet und auch genau dort gesehen werden MUSS. Erster Satz des jungen walisischen Regisseur, der inzwischen in Indonesien lebt und so ein großer Fan des Kampfsports Pencak Silat ist, dass er ihm seine ersten drei Filme ("Merantau" von 2009 und die beiden "The Raid"-Teile) widmete: "Warte mal, ich muss mal in einen anderen Raum gehen - meine kleine Tochter singt gerade Disney-Songs."

Irgendwie hätte ich ja eher so etwas erwartet wie "Warte mal, meine kleine Tochter verdrischt gerade 20 muskelbepackte Kampfsport-Hünen", aber ich habe wohl zu viel "Kick-Ass" geguckt. Und sowieso ist Gewalt nur im fiktiven Raum akzeptabel. Genau deswegen guckt man ja blutige Massaker wie "Expendables", "300", "Rambo", "Machete" oder das Tarantino-Oeuvre - um die eigenen Dämonen zu exorzieren und sich danach wieder an singenden Vögeln und blühenden Blumen erfreuen zu können. Doch genug geseiert: Lest, was Evans vom Dreh von "The Raid 2" zu berichten hat (spoilerfrei!), und schaut euch den Film die Tage unbedingt im Kino an.

"Ich mache Filme, die für Erwachsene gedacht sind."

Gareth, du bist aus Wales ins ferne Indonesien ausgewandert – warum?
2007 habe ich hier eine Doku über indonesische Kultur und im Speziellen den Kampfsport Silat gedreht. Ich war so ein typischer Westländer, der so gut wie nichts über dieses Land wusste. Mich hat der Gedanke hierhin gezogen, sechs Monate lang in einem anderen Land zu leben und ein bisschen was von der Welt zu sehen. Ich habe hier dann eine Menge Dinge gesehen, die mich angesprochen haben. Auch Pencak Silat hat mich als Kampfsportkunst völlig umgehauen, und ich dachte: So etwas gehört auf die große Leinwand! Ich konnte gar nicht glauben, dass es das noch nicht gab.
Kannst du selbst ein bisschen Silat?
(Lacht) Ähm... ich konnte mal ein bisschen. Für meinen ersten Film, „Merantau“, habe ich das mal zehn Monate lang gelernt, um wenigstens ein bisschen Ahnung davon zu haben, wenn es um Choreografien und so was geht. In letzter Zeit nimmt aber die Filmarbeit einen Großteil meiner Freizeit ein. Ich bin also zufrieden damit, der etwas übergewichtige Beobachter zu sein, der Filme darüber macht (lacht).

Evans (der "etwas übergewichtige Beobachter" im Hintergrund) guckt lieber zu, wie sich andere blutig kloppen (© Studiocanal)

Der erste „The Raid“ war klasse – der zweite ist Weltklasse. War der erste Film eine Art Testlauf für das Epos „The Raid 2“?
Wir alle haben viel gelernt bei „The Raid“ und viel herumexperimentiert. Das ist ja erst mein dritter Film – ich bin also immer noch auf der Suche nach meiner Identität als Regisseur. Bei „The Raid 2“ war dann von Anfang an klar: Wenn der als Sequel funktionieren sollte, musste er sich von der Struktur her völlig vom ersten Teil unterscheiden. Mir geht es immer darum, das Martial-Arts-Genre mit anderen Arten von Filmen zu kombinieren – „The Raid“ war für mich eine Art Survival-Horrorfilm, bei dem die Martial Arts nur die Action-Disziplin darstellte. „The Raid 2“ ist dagegen eine Undercover-Cop-Gangster-Story, die sich zum Ende hin zu etwas völlig anderem entwickelt. Der zweite Teil war viel befreiender für uns, da wir nicht auf ein Gebäude beschränkt waren und wegen des höheren Budgets viel mehr machen konnten. Im Vergleich zu Hollywood-Standards sind 4,5 Millionen Dollar natürlich immer noch winzig.
Wie du schon sagst: Diesmal geht es raus auf die Straße. Was waren die größten Herausforderungen beim Dreh? Sicherlich die Verfolgungsjagd durch Jakarta, oder?
Ja, die Verfolgungsjagd und der Gefängnisaufstand waren die schwierigsten Szenen. Bei der Autojagd waren es eher logistische Probleme, weil es alles andere als einfach ist, in Jakarta Straßen abzusperren. Die verstopften Hauptstraßen für den Shoot dicht zu machen, war das reinste Chaos, Stress pur. Der Gefängnisaufstand war aus einem anderen Grund besonders hart: dem Schlamm. Wir haben da im Prinzip acht Tage lang im Matsch gedreht. Vorne warteten immer die Schlamm-Trucks auf uns, und dann haben wir den ganzen Hof vollgepumpt. Am Ende des Drehtags waren immer alle von oben bis unten mit Dreck beschmiert – die Kämpfer natürlich noch mehr als wir von der Filmcrew, die waren permanent eingeschlammt, das muss unerträglich gewesen sein. Ich habe die Szenen dann vor Ort schon mal grob zusammengeschnitten, damit die Jungs sehen konnten, dass das alles zusammenpasst. Das hat die Moral dann immer gehoben und alle haben gesagt „Alles klar, lasst uns heute noch mal Vollgas geben!“
Eine Qual, die sich gelohnt hat: Die Schlammschlacht im Gefängnis ist schon jetzt legendär! (© Studiocanal)

Eine Qual, die sich gelohnt hat: Die Schlammschlacht im Gefängnis ist schon jetzt legendär! (© Studiocanal)

Es gibt Leute, die das krasse Gewalt-Level des Films kritisieren. Ich muss sagen, dass ich nach dem Film total happy aus dem Kino gekommen bin und mich irgendwie befreit fühlte – glaubst du daran, dass so eine stilisierte Gewaltorgie wie „The Raid 2“ kathartische Wirkung für den Zuschauer haben kann?
Ich denke schon. Wenn es um die Gewaltdarstellung geht, gehe ich immer nur so weit, wie es für mich selbst erträglich ist. Für mich ist es ein Unterschied, ob ich die Gewalt als sadistisch darstelle und mich auf den Schmerz und das Elend konzentriere – so etwas machen wir nicht. Mir geht es viel mehr um den Rhythmus in der Fight-Sequenz. Zu der Gewalt-Diskussion muss ich auch sagen, dass ich diese Filme nicht mache, damit sie von Kindern gesehen werden. Ich mache Filme, die für Erwachsene gedacht sind. Ich habe eine kleine Tochter, die nicht eine Sekunde meiner Filme gesehen hat und das auch nicht wird, bevor sie alt genug dafür ist. Aus meiner Sicht ist es ein verantwortungsvollerer Ansatz, einen Film für Erwachsene zu machen, in dem Gewalt als etwas Schmerzvolles inszeniert wird, das eine realistische Körperreaktion hervorruft, als einen Film mit PG13-Freigabe zu machen, in dem der Held 40-mal auf jemanden schießt, ohne dass ein Tropfen Blut zu sehen ist. Da ist alles total sauber und fast wie in einem Videospiel, nach dem Motto „keine Sorge, er ist nur umgefallen“. Diese Filme zielen auf ein jüngeres Publikum und das finde ich viel unverantwortlicher als – bis zu einem gewissen Grad – die Realität zu zeigen.
Irrsinige Choreografien vor eleganter Kulisse: Bei

Irrsinige Choreografien vor eleganter Kulisse: Bei "The Raid 2" wird das Blutvergießen nicht zum Selbstzweck (© Studiocanal)

Ein Hollywood-Remake von „The Raid“ ist in Planung – du bist als Produzent beteiligt. Kann so etwas gut werden?
Ich hoffe es auf jeden Fall! Ich weiß ja selbst, wie das mit Remakes ist: Auch ich habe natürlich immer mit den Augen gerollt, wenn es hieß, dass ein Asiafilm ein US-Remake bekommt. Bei Sachen wie „Oldboy“ verstehe ich es nach wie vor nicht, denn der Film ist perfekt und du kannst darin nicht von der Erzählstruktur abweichen. Wohingegen beim ersten „The Raid“ eigentlich nur die Cops in das Gebäude rein müssen. Sobald sie drin sind und alles völlig durchdreht, kannst du im Prinzip machen, was du willst. Zum Beispiel die Architektur des Gebäudes verändern, was wiederum zu neuen Ideen für Choreografien führt. Aus „The Raid“ lässt sich also ein Semi-Remake anfertigen, indem du das Konzept des Originals neu erfindest. So gesehen hat das schon einen gewissen kreativen Wert und könnte zu etwas Besonderem werden. Ich drücke jedenfalls beide Daumen, dass der Film zustande kommt – und gut wird.
Wir auch! Danke für das Gespräch, Gareth - jetzt darfst du gerne wieder mit dem Töchterchen trällern gehen...

Und hier noch mal der "The Raid 2"-Trailer.

[yt] The Raid 2 - Poster

Kategorien: Ben

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